Kinderwunsch
Schwanger werden mit über 35: darauf solltest du achten
Von Dr. Christoph Theurer
06. August 2024
Ein Kind zwischen 35 und 40 Jahren zu bekommen, kommt heute immer häufiger vor. Wie entscheidend das Alter ist, welche Vor- und Nachteile eine späte Schwangerschaft haben kann und was du sonst noch wissen solltest, wenn du mit 35 oder später schwanger werden möchtest, erfährst du hier.
Kinderplanung verschiebt sich immer weiter nach hinten
Viele Frauen entscheiden sich heute aus den unterschiedlichsten Gründen bewusst für eine späte Schwangerschaft. Mögliche Gründe für eine späte Schwangerschaft sind:
- ein fehlender Partner
- noch nicht erreichte Karriereziele
- die finanzielle Situation
- die persönliche Reife
Welche Rolle spielt das Alter bei einer Schwangerschaft?
Auf die Frage, wann es möglich ist, schwanger zu werden, lautet die Antwort ganz schlicht: Sobald eine Frau ihren ersten Menstruationszyklus hatte, ist sie im gebärfähigen Alter. Auf die Frage, bis zu welchem Alter eine Frau schwanger werden kann, gibt es hingegen keine eindeutige Antwort.
Wird eine Frau ab 35 schwanger, steigt statistisch gesehen das Risiko für Frühgeburten und Fehlbildungen. In den meisten Fällen kommen die Babys dieser Frauen jedoch trotzdem gesund zur Welt.
Schwanger werden mit 35: die gesundheitliche Vorsorge
Ab 35 Jahren übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen, auch wenn die Mutter vollkommen wohlauf ist. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse erfolgt für folgende Leistungen:
- Zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen bei Bedarf
- Zusätzliche Ultraschalluntersuchungen
- Chorionzottenbiopsie (Untersuchung auf genetische Besonderheiten und Stoffwechselerkrankungen)
- Bei Bedarf Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung)
- Nackenfaltenmessung (Untersuchung auf genetische Besonderheiten sowie Herz- und Skelettfehler)
- Kardiotokografie (Wehenschreiber: zeichnet Herztöne des Ungeborenen ab der 25. Schwangerschaftswoche auf)
Du musst gar keine zusätzlichen Untersuchungen machen lassen. Aber: Jeder Frauenarzt muss dich bei einer Schwangerschaft ab 35 Jahren darüber aufklären, welche Untersuchungen es zur Pränataldiagnostik gibt.
Schwangerschaftskomplikationen – eine Frage des Alters?
Grundsätzlich können Frauen jeden Alters von Schwangerschaftskomplikationen betroffen sein. . Frauen, die 35 oder älter sind und schwanger werden, sind jedoch insgesamt häufiger von Schwangerschaftskomplikationen betroffen. Dazu gehören beispielsweise:
- Bluthochdruck (Gestationshypertonie)
- Schwangerschaftsdiabetes
- Blutungen
- Anämie
- Gestose
- Thrombose
Kommt es zu einem Schwangerschaftsdiabetes, beispielsweise durch eine ungesunde Ernährung, kann sich der Blutzuckerspiegel der Mutter erhöhen. Das kann auch Folgen für das Kind haben. Möglich sind unter anderem Fehlbildungen oder Entwicklungsstörungen. Je früher ein Schwangerschaftsdiabetes erkannt wird, desto schneller können Gegenmaßnahmen zur Senkung des Blutzuckerspiegels ergriffen werden.
Neben diesen möglichen Erkrankungen, die die Mutter betreffen, erhöht sich bei einer Schwangerschaft im Alter auch das Risiko für eine Chromosomenstörung beim Fötus. Dazu zählt unter anderem die Trisomie 21. Grund hierfür ist, dass die Eizellen ab 35 Jahren nicht mehr so „teilungsfreudig“ sind und es daher zu „Verklebungen“ der Chromosomen kommen kann. Eine gynäkologische Überwachung ist deshalb empfehlenswert.
Je häufiger du an Vorsorgeuntersuchungen teilnimmst, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass potenzielle Komplikationen früh entdeckt und behandelt werden können. Dies ist wichtig, um schweren Komplikationen wie einer Präeklampsie vorzubeugen. Von Präeklampsie spricht man, wenn Bluthochdruck bei der Mutter zum ersten Mal auftritt oder sich verschlimmert und zugleich eine erhöhte Eiweißausscheidung im Urin nachgewiesen werden kann. Bei einem Verdacht auf eine Präeklampsie sind engmaschige Kontrollen in einer gynäkologischen Praxis erforderlich, damit die Gesundheit von Mutter und Baby gewährleistet ist.
Schwanger werden mit 35, 40 oder 45 wird immer häufiger
Immer mehr Frauen werden mit 40 oder 45 Jahren schwanger. Vielen von ihnen entscheiden sich bewusst dazu, erst in diesem Alter ein Kind zu bekommen, beispielsweise weil sie zunächst studieren und eine Karriere aufbauen wollen. Auch wenn mit zunehmendem Alter häufiger Komplikationen in der Schwangerschaft auftreten können, kommen die meisten Kinder dennoch gesund zur Welt.
Ab dem 20. Lebensjahr setzt die natürliche Alterung des Körpers ein, die auch vor den Reproduktionsorganen nicht Halt macht. Dadurch sinkt die Fruchtbarkeit und erreicht bei 35 Jahren einen Wert von etwa 10 bis 15 %1.
Zudem ist die Zahl der Eizellen im weiblichen Körper begrenzt: Ein junges Mädchen verfügt zum Zeitpunkt der ersten Menstruation über etwa 400.000 Eizellen, doch bis Mitte 30 sind davon nur noch etwa 35.000 übrig. Dadurch kommt es häufiger zu Zyklen ohne Eisprung. Eine Schwangerschaft mit 45 oder 50 ohne zusätzliche Fruchtbarkeitsbehandlung ist biologisch nur noch selten möglich, kann aber vorkommen.
Was bei einem Kinderwunsch im Alter nicht vergessen werden sollte: mit zunehmendem Alter sinkt auch bei Männern die Fruchtbarkeit, da die Qualität der Spermien abnimmt. Wenn die Frau trotz vieler Versuche nicht schwanger wird, kann es auch am Partner liegen.
Schwangerschaft mit 50: Ja oder nein?
Schwanger mit (über) 50 Jahren zu werden, ist auf natürlichem Wege nur noch selten möglich, da die Fruchtbarkeit der Frau im Alter deutlich geringer ist. Somit sind geplante Schwangerschaften mit 50 plus eher selten. Doch es gibt auch immer mal wieder ungeplante Schwangerschaften im Alter, zum Beispiel, wenn die Frau mit Beginn der Menopause die Verhütungsmittel absetzt im Glauben, es könne nichts mehr passieren.
Allgemein gilt: Bei einer gesunden Frau ist die Schwangerschaft mit 50 bei guter Betreuung zwar grundsätzlich körperlich möglich, das Risiko für Komplikationen, Fehlgeburten und Gendefekte nimmt bei Schwangeren über 45 aber eher noch zu und sollte nicht außer Acht gelassen werden.
Vorteile einer späten Schwangerschaft können sein, dass viele der Frauen dann selbstsicherer und finanziell bessergestellt sind. Wann eine Frau mit der Kinderplanung startet, ist stets eine individuelle Entscheidung, bei der die jeweiligen Lebensumstände berücksichtigt werden sollten.
Gute Gründe, bei einer Schwangerschaft ab 35 entspannt zu bleiben
Rein biologisch betrachtet nimmt die Fruchtbarkeit ab dem 30. Lebensjahr bei Frauen ab – das heißt aber noch lange nicht, dass du dann kein Kind mehr bekommen kannst. Schwanger zu werden mit 35 ist gut möglich und bringt sogar einige Vorteile mit sich.
Statistiken erzählen nicht deine Geschichte
Statistiken bieten in der Regel eine grobe Orientierung. Davon solltest du dich aber nicht verunsichern lassen, denn die Zahlen sagen nichts über deine persönliche Geschichte aus und haben teils nur eine bedingte Aussagekraft. Das gilt zum Beispiel für die Fehlgeburtenrate: Unabhängig vom Alter erleidet etwa jede sechste schwangere Frau eine Fehlgeburt.2
Deine Fruchtbarkeit wird von vielen Faktoren beeinflusst
Das Alter spielt eine wichtige Rolle für die Furchtbarkeit der Frau– das bleibt unumstritten. Jedoch kommen noch weitere Faktoren hinzu, die deine Fruchtbarkeit beeinflussen: Vorteilhaft wirkt sich zum Beispiel ein normaler BMI zwischen 18,5 und 24,5 aus. Ausreichend Bewegung, eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie der Verzicht auf Alkohol und Tabak erhöhen ebenfalls deine Chancen, mit über 35 noch schwanger zu werden.
Mehr Lebenserfahrung und finanzielle Möglichkeiten
Eine späte Schwangerschaft bietet einige Vorteile: Ältere Mütter sind finanziell meist besser gestellt und können somit leichter eine längere Mutterschaftspause einlegen.
Mit Gelassenheit im Alter schwanger werden
Wenn du in den späten 30ern ein Kind bekommst, gehörst du zwar zu den älteren Müttern, hast aber mehr Lebenserfahrung und kannst deine Schwangerschaft somit gelassener angehen. Paare, die sich erst nach vielen Jahren der Zweisamkeit für ein Kind entscheiden, können sich außerdem oft auf ein stabileres Beziehungsgerüst stützen und dem Kind beim Aufwachsen ein harmonisches Familienleben bieten.
Fußnoten:
2) Quenby et al. 2021, Jurkovic et al. 2020, Avalos et al. 2012