Unerfüllter Kinderwunsch: So kann es doch noch klappen
Von Dr. Christoph Theurer
27. Mai 2024
Der Wunsch nach einem eigenen Baby begleitet dich schon eine Weile, doch trotz aller Geduld und Gelassenheit will sich der Kinderwunsch auch nach vielen Monaten des Wartens nicht erfüllen? Jedes zehnte Paar in Deutschland im Alter zwischen 25 und 59 Jahren ist ungewollt kinderlos.[I] Wenn du bzw. ihr dazu gehört, gibt es allerhand Möglichkeiten: von einfachen Entspannungstechniken über hormonelle Behandlungen bis hin zur künstlichen Befruchtung. Wir stellen dir in diesem Beitrag die häufigsten körperlichen Ursachen für das Ausbleiben einer Schwangerschaft sowie Therapiemöglichkeiten vor.
Körperliche Ursachen für unerfüllten Kinderwunsch bei Frau und Mann
Wenn die lang ersehnte Schwangerschaft ausbleibt, kann das die unterschiedlichsten Gründe haben. Körperliche Erkrankungen und genetische Faktoren wirken sich genauso auf deinen Kinderwunsch aus wie seelische Sorgen. Mehr zu den psychischen Ursachen und dazu, wie sich Stress auf den Kinderwunsch auswirkt, findest du in einem separaten Ratgeber.
Zu den körperlichen Ursachen, die eine Befruchtung eventuell behindern, zählen:
- Hormonelle Ursachen bei der Frau: Störungen des Hormonhaushalts, z. B. durch zu geringe Produktion von FSH (follikelstimulierenden Hormonen) und LH (luteinisierenden Hormonen), können die Reifung und den Sprung des Eibläschens behindern. Eine erhöhte Produktion von Prolaktin oder männlichen Hormonen kann dem Eisprung ebenfalls abträglich sein.
- Verschluss oder Funktionsverlust der Eileiter: Dies verhindert, dass die Samenzellen das befruchtungsfähige Ei oder die befruchtete Eizelle die Gebärmutter erreichen können. Ursachen sind u. a. Verwachsungen, Infektionen oder Endometriose.
- Veränderungen in der Gebärmutter: Angeborene Fehlbildungen, Myome, Polypen oder Schädigungen der Schleimhaut können die Einnistung des Embryos behindern oder zu Fehlgeburten führen.
- Endometriose: Diese Erkrankung kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, indem sie unter anderem die Eileiter verschließt, Zystenbildung im Eierstock verursacht und die Eizellreserve mindert.
- Polyzystisches Ovarsyndrom: Beim PCO-Syndrom handelt es sich um eine Hormonstörung, die einen unregelmäßigen Zyklus und Eisprung verursacht.
- Störungen der männlichen Fruchtbarkeit: Eine eingeschränkte Spermienqualität durch eine verringerte Anzahl, Beweglichkeit oder veränderte Morphologie der Spermien kann ebenfalls die Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch sein.[II]
Unerfüllter Kinderwunsch: Wann eine ärztliche Praxis aufsuchen?
Bleibt der Kinderwunsch über einen längeren Zeitraum unerfüllt, ist ärztliche Hilfe gefragt. Die generelle Empfehlung lautet: Je älter die beiden Partner sind und je länger die gewünschte Schwangerschaft ausbleibt, umso früher sollte eine gynäkologische Fachkraft aufgesucht werden. Im Rahmen umfassender Untersuchungen können körperliche Ursachen für die ausbleibende Schwangerschaft identifiziert und behandelt werden, um die Chancen für eine Empfängnis zu erhöhen.
Therapiemöglichkeiten bei unerfülltem Kinderwunsch
Wenn Erkrankungen ausgeschlossen oder behandelt wurden und sich dennoch kein Nachwuchs ankündigt, gibt es weitere Methoden, welche die Chance auf eine Schwangerschaft erhöhen. Dazu zählen medikamentöse sowie hormonelle Behandlungen.
Hormonbehandlung
Ein unerfüllter Kinderwunsch wird bei gut einem Drittel der betroffenen Frauen durch Störungen des Hormonhaushalts verursacht. Hormonstörungen sind bei beiden Geschlechtern möglich. Bei Männern können sie zu einer Unterfunktion der Hoden führen, bei Frauen den Eisprung verhindern oder die Reifung der Eizelle stören.
Wenn du natürliche Maßnahmen zur Verbesserung deiner Fruchtbarkeit wie Entspannung, Sport und gesunde Ernährung erfolglos probiert hast, wird dir deine gynäkologische Praxis wahrscheinlich ein Zyklus-Monitoring vorschlagen. Dabei wird dein Hormonspiegel im Laufe deines Zyklus untersucht.
Werden hormonelle Störungen diagnostiziert, kann deine Fruchtbarkeit mithilfe einer individuellen Hormonbehandlung gesteigert werden. Die Hormontherapie stimuliert die Follikel in deinen Eierstöcken und regt deinen Zyklus an. Das am häufigsten verwendete Hormon bei Kinderwunsch ist Clomifen. Du kannst es entweder in Form von Spritzen oder Hormontabletten einnehmen.
Weitere Medikamente
Neben der Hormontherapie gibt es weitere Medikamente, die bei Frauen mit Kinderwunsch zum Einsatz kommen können. Dazu zählt das Medikament Clomifencitrat, das die Reifung der Eizellen anregt und die Ausschüttung der Geschlechtshormone FSH und LH fördert.
Im Kinderwunschzentrum zum Babyglück finden
Kinderwunschkliniken in ganz Deutschland wenden moderne Verfahren der Reproduktionsmedizin zur Diagnostik und Behandlung an, die sowohl körperliche als auch psychologische Aspekte einbeziehen. Ob im Rahmen allgemeiner Informationsabende oder im vertraulichen Gespräch – kinderlose Personen finden in den Kinderwunschzentren offene Ohren und dank hervorragender Möglichkeiten eine hohe Chance, doch noch das ersehnte Baby im Arm zu halten.
Künstliche Befruchtung: Diese Methoden gibt es
Künstliche Befruchtung bedeutet, dass die Eizelle der Frau mit einer Samenzelle des Mannes außerhalb des weiblichen Körpers befruchtet wird. Die Eizellen werden mit einer Spritze aus dem Eierstock der Frau entnommen. Die Spermien stellt der Mann entweder durch Masturbation zur Verfügung oder sie werden mit einer Biopsie (ICSI) aus den Hoden gewonnen.
Das erste im Reagenzglas gezeugte Baby kam 1978 in Großbritannien zur Welt. Heute werden in Deutschland etwa zwei von 100 Babys mithilfe von künstlicher Befruchtung gezeugt. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen unter Umständen einen Teil der Kosten, und auch eine Förderung durch Bund und Länder ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Weitere Informationen zur finanziellen Unterstützung eines Kinderwunsches stellt das Informationsportal Kinderwunsch des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereit.
Für die künstliche Befruchtung werden verschiedene Verfahren angewendet: die intrauterine Insemination (IUI), die In-vitro-Fertilisation (IVF) und die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).
Intrauterine Insemination (IUI)
Bei der intrauterinen Insemination erfolgt die Samenzellenübertragung direkt im Körper der Frau. Die Samenzellen des Partners oder eines Spenders werden dabei mit einem Schlauch in die Gebärmutter transportiert. Diese Methode kommt zu Einsatz, wenn:
- der Partner keinen Geschlechtsverkehr haben kann (z. B. bei einer Querschnittslähmung),
- der Partner zu wenige oder unbewegliche Spermien besitzt oder
- Samenzellen von einem Spender verwendet werden.
Ausschlaggebend für den Erfolg sind vor allem das Alter der Frau und die Qualität des Spermas.
In-vitro-Fertilisation (IVF)
Die In-vitro-Fertilisation ist die am häufigsten angewandte Methode der künstlichen Befruchtung. Bevor sie durchgeführt werden kann, ist die Einnahme von Hormonpräparaten erforderlich. Sie sorgen dafür, dass in deinem Körper möglichst viele Eizellen heranreifen. Sind diese voll entwickelt, werden sie mithilfe einer Nadel abgesaugt. Dein Partner sorgt für die benötigten Samenzellen. Beide Komponenten bringen die Spezialisten anschließend in einer Nährlösung zusammen.
Hat die Befruchtung stattgefunden, teilen sich die befruchteten Eizellen und bilden Embryonen. Bis zu drei befruchtete Eizellen werden dann in deine Gebärmutter eingesetzt. Nisten sich eine oder mehrere Eizellen in deiner Gebärmutter ein, bist du schwanger.
Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)
In Fällen, bei denen die Spermienqualität des Mannes gering ist, kann eine künstliche Befruchtung mithilfe der ICSI-Methode helfen. Im Rahmen einer Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion wird deine Eizelle gezielt mit einer Samenzelle deines Partners befruchtet. Dazu werden Eizellen aus deiner Gebärmutter entnommen. Dein Partner steuert die Samenzellen bei. Mit einer feinen Nadel wird die männliche Samenzelle direkt in die Eizelle injiziert. Ist die Befruchtung erfolgreich, werden dir die befruchteten Eizellen wie bei der In-vitro-Methode eingepflanzt.
Weitere Informationen zu den Methoden der künstlichen Befruchtung finden sich auf der Webseite des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Mehrlingsschwangerschaften bei künstlicher Befruchtung
Bei einer IVF oder ICSI werden mehrere Eizellen eingesetzt. Daher besteht bei diesen Formen der künstlichen Befruchtung eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit für eine Mehrlingsschwangerschaft und eine damit verbundene Mehrbelastung für deinen Organismus.
Single mit Kinderwunsch? Lass die anderen reden!
Wenn es ums Thema Kinderwunsch geht, ist fast immer die Rede von Paaren, die schwanger werden wollen. Aber auch Alleinstehende wünschen sich häufig ein Baby und benötigen Unterstützung, um ihren Traum zu erfüllen.
Singles mit Kinderwunsch stoßen in den zahlreichen Kinderwunschzentren in Deutschland auf offene Ohren. Wenn du dir sicher bist, dass du den Weg der Mutterschaft auch ohne Partner gehen möchtest und kannst, solltest du dich von etwaigen Vorurteilen aus deiner Umgebung nicht abhalten lassen und einen Beratungstermin in einem Kinderwunschzentrum vereinbaren.
Kinderwunschzentren in Deutschland
Medizinische Fachkräfte und bezahlbare Therapien sind selten weit von deinem Wohnort entfernt. Mitgliedszentren des deutschen IVF-Registers sind ebenso einfach online zu finden wie Kinderwunsch-Beratungsstellen.
Unerfüllter Kinderwunsch: Alternative Adoption
Sind alle Behandlungsmöglichkeiten bis hin zur künstlichen Befruchtung ausgeschöpft, gibt es eine weitere Option für Paare, die sich ein Kind wünschen: eine Adoption.
Um dafür in Betracht gezogen zu werden, muss ein Elternteil mindestens 25 Jahre und der andere mindestens 21 Jahre alt sein. Weiterhin sollte der Altersunterschied zwischen Eltern und Kind einem natürlichen Abstand entsprechen. In besonderen Fällen können auch Alleinstehende ein Kind adoptieren.
Die Behörden achten darauf, dass die Eltern über ein sicheres Einkommen verfügen und dem Kind ausreichend Wohnraum bieten können. Für ein erstes Beratungsgespräch kannst du dich an die Adoptionsvermittlungsstelle des Jugendamtes in deinem Wohnort oder an die Adoptionsvermittlungsstellen der freien Träger in deiner Stadt wenden.
Weitere Informationen zur Adoption hält das Familienportal bereit.
Ungewollt kinderlos: was nun?
Die künstliche Befruchtung hat nicht geklappt und eine Adoption kommt nicht infrage: Wer seinen Kinderwunsch aufgeben muss, wird darunter leiden. Jetzt ist es wichtig, dass ihr als Paar Wege findet, mit der neuen Situation umzugehen.
Um eure psychische Gesundheit zu schützen, sind offene Gespräche mit Familie und Freunden ratsam – schildert eure Gefühlslage und bittet um Rücksicht. Belastet ein unerfüllter Kinderwunsch euch stark, könnt ihr euch auch einzeln oder gemeinsam externe Hilfe suchen, zum Beispiel bei Selbsthilfegruppen oder bei einer Psychotherapie. Ein guter Therapeut oder eine gute Therapeutin kann dabei helfen, innerlich Abschied zu nehmen und eine positive Einstellung zum Leben zurückzugewinnen.